11.12.2019
10 Fragen zu Zeitarbeit
Ernst Zellner, Inhaber der ZELLNER Personal Lösungen GmbH, im Gespräch
Frage 1: Ihr Unternehmen feiert im kommenden Jahr 20-jähriges Jubiläum. Im Rückblick betrachtet, was hat sich seit Anfang Ihrer Tätigkeit bis heute verändert?
Damals, vor 20 Jahren, war die Branche noch von einer „Goldgräberstimmung“ geprägt. Ein Unternehmen nach dem anderen schoss aus dem Boden. Die Branche war noch kaum reguliert und das Preisniveau war noch wesentlich höher als es heute ist. Leider wurde in dieser Zeit auch viel Schindluder in der Personalbranche betrieben und die Machenschaften einiger „Schwarzer Schafe“ haben dazu geführt, dass die Branche mit einem negativen, ausbeuterischen Image behaftet wurde, welches sich bis heute in der öffentlichen Meinung festgesetzt hat. In der Folge wurde die Branche starken Regulierungsmaßnahmen unterzogen. Die Anlassgründe waren einerseits im Fehlverhalten einiger Branchenmitglieder, andererseits aber auch in rechtlichen Unsicherheiten, welche aus unklaren Formulierungen und Bestimmungen resultierten, zu finden.
Die Branche hat seither einen sehr positiven Wandel durchlebt und vor allem die etablierten Personaldienstleistungsunternehmen sind heute Vorzeigebetriebe, die sich alle an die rechtlichen Bestimmungen des AÜG und die des Kollektivvertrages für AKÜ halten. Die Dienstleistung als solche hat sich professionalisiert und qualitativ stark verbessert. Mittlerweile bietet die Branche viele Weiterbildungsmöglichkeiten, von Seminaren bis hin zu Studienlehrgängen. Im Vergleich dazu war das Angebot früher sehr begrenzt.
Die Anzahl der Personaldienstleister ist über die Jahre stetig gewachsen. Angebot und Nachfrage, also die „freien Kräfte des Marktes“ haben dafür gesorgt, dass sich Personaldienstleister teilweise schon bis zur Selbstaufgabe unterbieten. Ausschlaggebend für diese Entwicklung ist sicherlich auch, dass aufgrund der Öffnung des Arbeitsmarktes bereits eine wesentlich höhere Anzahl von Arbeitskräften, die bei ausländischen Überlasserbetrieben angemeldet sind – wo also auch die Abgaben und Steuern im Ausland bezahlt werden – als Arbeitskräfte, die bei österreichischen Überlasserbetrieben angemeldet sind, in österreichischen Unternehmen beschäftigt werden. Österreichische Unternehmen sind gegenüber den ausländischen nicht konkurrenzfähig. Die Gründe dafür sind, dass ausländische Überlasser im Regelfall wesentlich geringere Lohnnebenkosten abzugeben haben – sofern sie diese überhaupt abgeben – und eine Kontrolle durch heimische Behörden in der Praxis kaum möglich ist und verhängte Strafen nicht exekutiert werden können.
Schätzungen zufolge arbeiten bereits bis zu 700.000 ausländische – nicht in Österreich versicherte – Arbeitskräfte in heimischen Betrieben. Bei ca. 500.000 Personen davon, soll es sich um als Entsendungen getarnte Überlassungen handeln. Wie viel Geld den österreichischen Krankenkassen und Finanzämtern dadurch entgeht ist immens. Im Vergleich dazu dümpelt die heimisch ansässige Branche seit Jahrzehnten zwischen 80.000 bis 100.000 überlassenen Zeitarbeiter*innen dahin.
Diese Entwicklung ist äußerst besorgniserregend. Dem österreichischen Staat und somit der Allgemeinheit entgehen Millionen von Euros, welche für Sozialleistungen und einer Entlastung der heimischen Wirtschaft verwendet werden könnten.
Ein wesentliches Merkmal der Branche ist auch, dass wir uns von reinen Überlasserbetrieben in Personaldienstleistungsbetriebe entwickelt haben. Wir decken heute die Anforderungen unserer Kunden in einem wesentlich breiteren Spektrum ab.
Meine Tätigkeit hat sich über die Jahre ebenso einem stetigen Wandel unterzogen. Als ich vor 20 Jahren mit der Personalüberlassung begonnen habe, musste ich mir als Quereinsteiger viele Qualifizierungen und Kompetenzen selbst aneignen. Was gut und was nicht funktioniert, musste ich aus eigener Erfahrung lernen. Im Laufe der Jahre bin ich durch fast alle Bereiche der Personaldienstleistung gewandert. Tätigkeiten wie Kundenakquise, Recruiting, Personaldisposition bis hin zur Lohnverrechnung und Buchhaltung habe ich selbst durchgeführt oder in Vertretung übernommen. Ein 16-Stunden-Tag war für mich keine Seltenheit.
Heute ist mein Tätigkeitsfeld ein ganz anderes. Die Organisation ist gewachsen und Prozesse sind wesentlich komplexer geworden. Mein Aufgabengebiet hat sich vom operativen Geschäft Richtung Management verschoben. Für Ziele zu sorgen, diese durch die richtigen Maßnahmen umzusetzen und die Organisation sowie Mitarbeiter*innen zu entwickeln, zähle ich zu meinen wichtigsten Aufgaben.
Die Zeit ist praktisch nie stehen geblieben, es gab und gibt immer wieder neue Herausforderungen und das macht die Branche für mich so interessant und spannend.
Was sich nicht geändert hat: wir können nur dann von Erfolg sprechen, wenn unsere Dienstleistung für uns, unsere Kunden und vor allem unsere Mitarbeiter*innen passt!
Frage 2: Österreich gilt als Vorzeigeland in punkto Zeitarbeit. Warum ist das so und was könnten wir uns trotz dieser Tatsache von anderen Ländern abschauen?
An dieser Stelle ist klar festzuhalten, dass es kein anderes Land gibt, in dem die Personalüberlassung für Mitarbeiter*innen besser geregelt ist. Nirgendwo existieren vergleichbar gute Bedingungen für Arbeitnehmer*innen. Österreich ist das erste Land, in dem ein eigener Kollektivvertrag für die Arbeitskräfteüberlasser eingeführt wurde. Dieser regelt nicht nur das sogenannte „Equal pay“ übersetzt Lohngleichheit, sondern auch das „Equal treatment“, d. h. dass alle wesentlichen Arbeitsbedingungen, wie Arbeitszeit, Überstunden, Nachtarbeit, freie Tage, Pausen und Ruhezeiten, etc. auch für Zeitarbeiter*innen gelten. Auch der Zugang zu allen sozialen Einrichtungen und Gemeinschaftseinrichtungen ist gesichert. In vielen Bereichen der Industrie erhalten Zeitarbeiter*innen, aufgrund von Referenzzuschlägen sogar höhere Löhne als vergleichbare festangestellte Mitarbeiter*innen.
Paradoxerweise werden diese Vorzüge der Zeitarbeit nie in der öffentlichen Berichterstattung kommuniziert. Im Gegenteil: Es wird keine Möglichkeit von Arbeitnehmer*innenvertretern ausgelassen, um gegen die Zeitarbeit zu wettern.
In Ländern, wie den Niederlanden und England, wo ein wesentlich höherer Anteil der unselbständig Erwerbstätigen in Zeitarbeitsverhältnissen arbeiten, wird Zeitarbeit nicht mit einem negativen Image verbunden und als durchaus sinnvolles Instrument von volkswirtschaftlichem Nutzen angesehen. Ein Umdenken in der heimischen Politik und deren parteipolitisch besetzten Interessensvertretungen und sonstigen Einrichtungen im Sinne einer objektiven Betrachtungsweise, würde der Branche bestimmt gut tun. Besonders aus dem Grund, weil den heimischen Dienstleistern mehr aufgebürdet und abgefordert wird, als denen in anderen Ländern dieses Planeten.
Frage 3: Welche Herausforderungen sehen Sie für die Zeitarbeit – und die Personaldienstleistung im Allgemeinen für die kommenden Jahre?
Als besondere Herausforderung für die Branche sehe ich die Angleichung bei den Kündigungsfristen zwischen Arbeitern und Angestellten. Dieser politische Schnellschuss wird die Personalüberlassung stark belasten und die Flexibilität enorm einschränken. Vor allem Zeitarbeitsfirmen werden größtenteils nicht in der Lage sein, die daraus resultierenden Mehrkosten auf die Beschäftigerbetriebe weiterzugeben, was zu einem massiven Umbruch in der Branche führen wird. Gesamt gesehen wird dieser Schuss nach hinten losgehen und sich negativ sowohl auf die Volkswirtschaft wie auch auf die Arbeitslosigkeit auswirken. Es ist damit zu rechnen, dass Betriebe mehr auf befristete Verträge zurückgreifen und wahrscheinlich noch mehr billige Arbeitskräfte von ausländischen Unternehmen nach Österreich überlassen werden. Dem Staate Österreich entgehen dadurch Millionen von Beiträgen.
Der Wandel Richtung Kompetenzzentrum wird umso wichtiger für die Branche. Es ist zwingend nötig unser Angebot in Richtung Beratung und Vermittlung sowie Weiterbildung und -entwicklung unserer Mitarbeiter*innen auszudehnen. Flexicurity (Flexibility und Security) in der Branche zu schaffen ist meiner Meinung nach nur möglich, wenn man die Potentiale der Mitarbeiter*innen früh erkennt und Entwicklungsmaßnahmen fördert.
Keinesfalls dürfen wir in der Branche die digitale Transformation verpassen. Personaldienstleistung 4.0 lautet unsere Vision der Zukunft. Intelligente Lösungen im Bereich der Personalbeschaffung und der -verwaltung bestimmen in Zukunft über Erfolg oder Scheitern. Welche Jobs in 10 Jahren noch Bestand haben werden und welche nicht, kann man nicht wirklich vorhersagen, jedoch wird es entscheidend sein, die richtigen Schlüsse zu ziehen und den Puls der Zeit früh genug zu erkennen.
Frage 4: Ihr Geschäft ist von Erfolg gekrönt. Verraten Sie uns Ihr Geheimrezept?
Ich weiß nicht, ob es so etwas wie ein Geheimrezept gibt. In der Praxis gibt es einfach viele Modelle, Methoden und Führungsstile die funktionieren.
Für mich ist wichtig, dass der Fokus auf die Stärken eines jeden Einzelnen gerichtet und am Ende des Tages ein wirksames Ergebnis erzielt wird.
Ausschlaggebend für Erfolg ist außerdem, nicht den „Hunger“ zu verlieren, mich selbst weiterzuentwickeln und mich auch immer wieder selbst auf den Prüfstand zu stellen. Ich versuche mich immer auf das Wesentliche zu konzentrieren, auch wenn dabei einmal etwas liegenbleiben sollte.
Weiterer Eckpfeiler sind aus meiner Sicht gegenseitiges Vertrauen, stets positiv zu bleiben und für eine gute Stimmung im Unternehmen zu sorgen.
Frage 5: Der Ruf der Zeitarbeit in der Öffentlichkeit, ist nicht immer der beste. Was können Sie dem entgegenhalten?
Ich habe diese Thematik in den vorangehenden Punkten bereits angeschnitten.
Einerseits kommt dieser Ruf zum Großteil von „Schwarzen Schafen“ sowie einer nicht objektiven medialen Berichterstattung. „Schwarze Schafe“ gibt es kaum noch und die meisten Personaldienstleister haben sich zu Vorzeigebetrieben entwickelt.
Zeitarbeiter*innen sind den festangestellten Arbeitskräften gleichgestellt und in gewissen Bereichen und Branchen sogar bessergestellt. Der Mindestlohn einer ungelernten Arbeitskraft beträgt knapp unter € 1700,00 brutto. Das würde man sich in vielen anderen Branchen wünschen. Ein Viertel der überlassenen Arbeitskräfte findet eine Festanstellung bei einem Beschäftigerbetrieb. Hier von einem „prekären Arbeitsverhältnis“ zu sprechen mutet meiner persönlichen Meinung nach, sehr befremdend an.
Es gibt auch Studien die belegen, dass Zeitarbeitnehmer*innen keinesfalls unglücklicher sind als Arbeitnehmer*innen in anderen Beschäftigungsverhältnissen.
Frage 6: Was sind die markantesten Vorteile der Zeitarbeit?
Der wichtigste Vorteil aus meiner Sicht ist die Flexibilität, die ich durch die Zeitarbeit erhalte. Die Möglichkeit auch kurzfristige Aufträge anzunehmen, erhöht die Produktivität und Profitabilität eines Unternehmens. Vor allem ist das Rekrutieren von Mitarbeiter*innen immer komplexer und aufwendiger geworden. Personaldienstleister sind Profis, die den Arbeits- und Bewerbermarkt bestens kennen, die geeignete Kanäle identifizieren und auf passende Kandidat*innen schneller zugreifen können, respektive diese oftmals schon kennen und somit über deren Qualifikation und Zuverlässigkeit bestens Bescheid wissen. Davon können Unternehmen enorm profitieren.
Ein ganz wesentlicher Faktor liegt für mich auch daran, dass Unternehmen ihren Verwaltungsapparat schlank halten können. Der Fokus bleibt beim Tagesgeschäft und den eigentlichen Kernkompetenzen des Unternehmens.
Frage 7: Warum würden Sie selbst in Zeitarbeit in Anspruch nehmen?
Jedenfalls aus den vorangeführten Punkten.
Darüber hinaus ermöglicht mir Zeitarbeit, mit fixen Stundensätzen zu kalkulieren und bietet mir Ersatz bei Krankheit oder Urlaub eines Mitarbeiters.
Ein weiterer Vorteil ist der geringe bis fehlende Aufwand für die gesamte Personalbeschaffung bis hin zur -administration, wie Bewerbermanagement und Abrechnung. Teure und aufwändige Inseratenschaltungen fallen weg. Der Fokus gilt somit meinem Kerngeschäft.
Frage 8: Wie lautet Ihr Lebensmotto?
Lebe nicht in der Vergangenheit, gehe deinen eigenen Weg und bleibe immer positiv!
Im Grunde gehöre ich nicht zu dem Personenkreis, der sich mit Sprüchen großer Denker schmückt. Originelle und individuelle Statements beeindrucken mich wesentlich mehr. Möglicherweise wurde dieser Leitsatz schon von jemand anderem so oder ähnlich formuliert. Jedenfalls versuche ich mein Leben größtmöglich danach auszurichten.
Ich halte mich nicht allzu lange mit der Vergangenheit auf. Wenn was schief gelaufen ist, dann richte ich den Blick nach vorne und blicke nicht zu viel nach links und rechts, sondern gehe meinen Weg.
Frage 9: Lässt sich ihr Lebensmotto auch auf die Arbeitswelt übertragen oder haben Sie hier ein anderes Motto?
Dieses Motto bestimmt auch mein Vorgehen in der Berufswelt. In den 20 Jahren meiner Selbständigkeit gab es viele Rückschläge und schwierige Situationen, die ich zu meistern hatte. Die wird es auch in der Zukunft immer geben. Ich habe Misserfolge immer schnell abgehakt und mich wieder nach Vorne ausgerichtet. Ohne positive Grundeinstellung wäre das nicht möglich.
Auch habe ich nie zu sehr nach links oder rechts geschaut. Mich nicht unbedingt dafür interessiert, was andere gerade machen, sondern immer versucht meine eigene Linie zu fahren.
Frage 10: Was ist Ihr wichtigstes Ziel für die Zeitarbeit 2020?
Uns zu rüsten für die Angleichung der Arbeiter an die Angestellten. Unsere Vision „Personaldienstleistung 4.0 voranzutreiben“.